Flächenrecycling

Ein Gebäude, einmal alt und verkommen und einmal wiederhergestellt

Flächenrecycling oder Brachflächenrecycling

Als Flächenrecycling oder Brachflächenrecycling wird die (Wieder)Nutzung brachliegender ehemaliger Industrie- und Gewerbestandorte und damit deren Wiedereingliederung in den Wirtschaftskreislauf bezeichnet. Die Mobilisierung von Brachflächen spielt eine zentrale Rolle zur Reduktion des Bodenverbrauchs.

Brachfläche

Für den Begriff „Brachfläche“ gibt es noch keine offizielle Definition. In Ermangelung einer einheitlichen Begriffsbasis werden Brachflächen als baulich vorgenutzte Grundstücke, Flächen und Objekte bzw. Objektteile verstanden, welche derzeit nicht mehr oder nicht entsprechend dem Standortpotenzial genutzten werden. Leerstehende Wohnungen fallen nach diesem Verständnis nicht unter den Brachflächenbegriff.

Häufig gestellte Fragen

Warum gibt es brachliegende Industrie- und Gewerbegrundstücke?

Im 18. und 19. Jahrhundert schreitet die Industrialisierung voran. Produktion und Wohnen sind miteinander verschränkt. Es gibt viele Produktionsstandorte in städtischen Lagen.

Seit den 1970er verändert sich in Europa die industrielle Produktion. Es erfolgt eine Entwicklung in Richtung Dienstleistungsgesellschaft. Ganze Industriezweige verschwinden und werden außerhalb Europas verlagert. Andere Industriezweige fusionieren, modernisieren ihre Produktion und benötigen weniger Standorte.

Auch Österreich bleibt von dieser Entwicklung nicht verschont. In vielen Städten und Gemeinden entstehen Industrie- und Gewerbebrachflächen.

Das Phänomen der Betriebsstilllegungen schlägt sich in nahezu allen Branchen nieder. Heute sind viele dieser ehemaligen Webereien, Tankstellen, Brauereien, Konservenfabriken, glaserzeugenden Betriebe, Spenglereien und Gerbereien nach wie vor ungenutzt. Am stärksten ausgeprägt ist der strukturelle Wandel in der Textilindustrie, wo es Anfang der 1960er Jahre österreichweit noch rund 600 Betriebe gab. Heute existieren nur noch 161 Textilunternehmen.

Neben der Stilllegung alter Standorte kommen neue Standorte hinzu. Supermärkte und Fachmärkte modernisieren und lassen alte Standorte zurück. Aber auch Insolvenzen und Pleiten führen zu Betriebsstilllegungen.

Viele Brachflächen würden sich für neue Nutzungen anbieten, jedoch ist die Wiedernutzung mit Barrieren verbunden. Der Brachflächen-Dialog setzt sich zum Ziel, diese Barrieren langfristig zu beseitigen.

Wie viele Brachflächen gibt es in Österreich?

Im Jahr 2004 wurde im Rahmen der Studie des Umweltbundesamtes "Wiedernutzungspotenzial industrieller Brachflächen in Österreich" der Bestand an industriellen und gewerblichen Brachflächen auf bis zu 130 km² abgeschätzt. Dies entspricht 3.000 bis 6.000 brachliegenden Industrie-und Gewerbestandorten. Eine überschlägige Abschätzung der aktuellen Brachflächensituation im Jahr 2017 führte zu einem ähnlichen Ergebnis, etwa 5.000 bis 10.000 nicht mehr genutzte oder untergenutzte Standorte in Österreich.

Was hat Brachflächen-Recycling mit Bodenverbrauch zu tun?

Seit 1995 sind Bau- und Verkehrsflächen in Österreich um 53% gewachsen, während im gleichen Zeitraum die Bevölkerung um nur 12% gestiegen ist.  Diese Entwicklung darf keinesfalls fortgesetzt werden, da der voranschreitende Verlust an funktionalen Böden viele Nachteile für die Gesellschaft mit sich bringt. Durch Baumaßnahmen (Gebäude und Parkplätze) werden wertvolle Böden versiegelt und natürliche Bodenfunktionen gehen dauerhaft verloren. Diese Böden fehlen für die Lebensmittelproduktion, als Wasserspeicher bei Starkregen, als Kohlenstoffspeicher und als Habitat für Pflanzen und Mikroorganismen.

Eine schnelle Verringerung der Flächeninanspruchnahme kann nur durch eine effiziente Wiedernutzung des bereits gebauten Bestandes erfolgen. 

Grafik zeigt, dass seit 1995 Bau- und Verkehrsflächen um 53% gewachsen, während im gleichen Zeitraum die Bevölkerung um nur 12% gestiegen ist.
Grafik: Entwicklung von Siedlungsfläche und Bevölkerung zwischen 1995 und 2021. Quelle: Umweltbundesamt auf Basis von Daten von Statistik Austria und BEV

Wie kann der Brachflächen-Dialog zur Reduktion der Flächeninanspruchnahme beitragen?

Ein wichtiger Beitrag zur Reduktion der Flächeninanspruchnahme ist die Wiedernutzung von bereits bebauten Flächen und die Stärkung der Ortskerne (Stichwort „Innenentwicklung“). Dieser Lösungsweg ist jedoch vielfach mit Barrieren verbunden, die der Brachflächen-Dialog abbauen möchte. Zu diesen Barrieren zählen beispielsweise:

Kontaminationsrisiko.

Das Grundstück ist durch die Vornutzung eventuell kontaminiert. Die Entwicklung kann mit Mehrkosten bei der Entsorgung von Aushubmaterial  verbunden sein.

Nachbarschaft.

Das Grundstück befindet sich in einem bebauten Wohngebiet. Die geplante Nutzung ist mit Lärm verbunden und Anrainerbeschwerden sind zu erwarten.

Konkurrenz zu unbebautem Bauland.

Das Grundstück befindet sich in einer Region, in der das Angebot an unbebautem Bauland groß ist.

Höherer Planungsaufwand.

Die bereits vorhandene Bebauung muss entweder abgerissen oder umgeplant werden. Der zusätzliche Planungsaufwand ist mit Mehrkosten verbunden.

Welche politische Zielsetzung steht dahinter?

Gemäß Regierungsprogramm 2020 – 2024 soll die Flächeninanspruchnahme bis 2030 auf 2,5 Hektar pro Tag reduziert werden. Aktuell beträgt sie 11 Hektar pro Tag (Referenzjahr 2021).

Regierungsprogramm 2020 – 2024. Aus Verantwortung für Österreich, Seite 104

Auf europäischer Ebene soll die Flächeninanspruchnahme bis 2050 "Netto Null" betragen. Das bedeutet, die Flächeninanspruchnahme so gering wie möglich zu halten und dort, wo sie unvermeidlich ist, die zerstörten Bodenfunktionen zumindest woanders wiederherzustellen (Stichwort“ Entsiegelung).

EU-Bodenstrategie für 2030: Die Vorteile gesunder Böden für Menschen, Lebensmittel, Natur und Klima nutzen, Seite 4

Was bringt die Reduktion der Flächeninanspruchnahme?

Die Reduktion der Flächeninanspruchnahme ist ein langfristiger Beitrag

  • zum Klimaschutz, da wichtige Kohlenstoffspeicher erhalten werden,
  • zur Ernährungssicherheit, da landwirtschaftliche Produktionsflächen erhalten werden,
  • zum Hochwasserschutz, da die Wasserspeicherfähigkeit von Böden erhalten wird und
  • zur Biodiversität, da Böden als Habitate für Pflanzen und Mikroorganismen erhalten werden.