Flächenrecycling

Als Flächenrecycling oder Brachflächenrecycling wird die (Wieder)Nutzung brachliegender ehemaliger Industrie- und Gewerbestandorte und damit deren Wiedereingliederung in den Wirtschaftskreislauf bezeichnet. Die Mobilisierung von Brachflächen spielt eine zentrale Rolle zur Reduktion des Bodenverbrauchs.

Ein Gebäude, einmal alt und verkommen und einmal wiederhergestellt

Brachflächen Definition

Ausgangspunkt ist folgende Definition (gem. ÖNORM S2093):

„Eine Brachfläche ist ein vorgenutzter Standort oder Teil eines Standortes, der derzeit nicht oder nur geringfügig genutzt wird. Aufgrund der Eigenschaften des Standortes (z.B. Widmung, Aufschließungsgrad, Lage) besteht ein Nutzungspotenzial. Es ist nicht von Bedeutung, für welchen Zeitraum der Standort nicht genutzt wird.“

Bei Brachflächen im Kontext des Flächenrecyclings werden nicht bewirtschaftete Grünland und Ackerflächen grundsätzlich ausgeschlossen.

Brachflächen haben viele „Gesichter“, das ergibt sich aus den unterschiedlichen Vornutzungen, wie beispielsweise:

Brachflächen und Leerstand

Die Begriffe „Brachfläche“ und „Leerstand“ werden häufig gleichgesetzt, haben aber unterschiedliche Bedeutungen.

  • Brachfläche 
    Bezieht sich auf das Grundstück UND inkludiert die dort vorhandenen Gebäude.
    Es gibt unterschiedliche Nutzungsintensitäten (Nicht-/Mindernutzung).
    Beispiel: Standort mit zwei Produktionshallen und einem Bürogebäude. Das Bürogebäude wird vollständig genutzt, die Produktionshallen werden nicht genutzt und sind veraltet. 
  • Leerstand
    Bezieht sich auf ein einzelnes Gebäude oder Teile eines Gebäudes.
    Es gibt unterschiedliche Leerstandstypen.
    Beispiel: Innerstädtisches Handels- oder Bürogebäude mit ungenutzter Erdgeschoßzone und/oder ungenutzten Büros in den Stockwerken.

Fachgrundlagen

Flächenrecycling ist ein neues Thema. Für die Entwicklung passender Instrumente benötigt es gut verständliche Beschreibungen, um Missverständnisse zu vermeiden. Der Brachflächen-Dialog rief daher eine Facharbeitsgruppe ins Leben, um einen gemeinsamen Sprachgebrauch rund um das Thema festzulegen:Fachpapier „Brachflächen: Begriffe und Erhebungsmethoden“. Hier sind Details zur Definition, Beschreibung und Erfassung von Brachflächen zu finden. 

Häufig gestellte Fragen

Wie viele Brachflächen gibt es in Österreich?

Die Anzahl brachliegender Industrie- und Gewerbeflächen wurde im Jahr 2024 erstmals mit einem neuen Verfahren ermittelt (siehe auch). Es handelt sich hier um die KI unterstützte Auswertung von Luft- und Satellitenbildern, die mit anderen relevanten Datensätzen kombiniert werden. Die Ergebnisse werden in Bälde als Brachflächenpotentialkarte über die Webseite des Brachflächen-Dialoges kostenlos zur Verfügung gestellt werden.

Dazu wurden bundesweit alle Flächen mit Industrie- oder Gewerbewidmung und einer Größe von mehr als 1.000 m² analysiert.

Insgesamt wurden für ganz Österreich 4.700 Flächen* (bzw. rund 800 Hektar) ermittelt, die mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht ihrem Potenzial entsprechend genutzt werden.

Die Brachflächenpotentialkarte für Österreich wird demnächst über die Webseite des Brachflächen-Dialoges kostenlos zur Verfügung gestellt werden und ist ein erster Schritt in Richtung systematischer Erfassung und Aktivierung von Brachflächen.

* Neben Industrie- oder Gewerbebrachen gibt es noch andere Immobilien-Typen, die sich für eine Wiedernutzug anbieten und in dieser Erfassung nicht inkludiert sind, beispielsweise Einfamilienhäuser, Wohnungen und Geschäftslokale.

Warum muss die Flächennutzung in Österreich und Europa effizienter werden?

Gemäß Regierungsprogramm 2020 – 2024 soll die Flächeninanspruchnahme bis 2030 auf 2,5 Hektar pro Tag reduziert werden. Aktuell beträgt sie 11 Hektar pro Tag (Referenzjahr 2021).

Regierungsprogramm 2020 – 2024. Aus Verantwortung für Österreich, Seite 104

Auf europäischer Ebene soll die Flächeninanspruchnahme bis 2050 "Netto Null" betragen. Das bedeutet, die Flächeninanspruchnahme so gering wie möglich zu halten und dort, wo sie unvermeidlich ist, die zerstörten Bodenfunktionen zumindest woanders wiederherzustellen (Stichwort “Entsiegelung”).

EU-Bodenstrategie für 2030: Die Vorteile gesunder Böden für Menschen, Lebensmittel, Natur und Klima nutzen, Seite 4

Welche politische Zielsetzung steht dahinter?

Flächenrecycling ist ein wichtiger Beitrag zur Reduktion der Flächeninanspruchnahme, des Abfallaufkommens, des Materialeinsatzes und des Energieverbrauchs. Die Wiedernutzung des Bestandes muss langfristig Priorität gegenüber dem „Neubau auf der grünen Wiese“ haben. Die Forcierung des Flächenrecyclings ist ein definiertes Ziel der österreichischen Bodenstrategie und trägt zu folgenden politischen Aufträgen bei:

Reduktion des Bodenverbrauchs. Für eine substanzielle Verringerung der Flächeninanspruchnahme und Bodenversiegelung bis zum Jahr 2030 (Ziel der österreichischen Bodenstrategie) und für die Erfüllung des EU Zieles von nettonull Bodenverbrauch bis 2050 ist die maximale Nutzung des Bestandes anzustreben.

Reduktion des Materialverbrauchs. Die österreichische Kreislaufwirtschaftsstrategie zielt darauf ab, den inländischen Materialverbrauch bis 2030 um 25 % zu verringern. Durch die Forcierung von Umbau und Sanierung des Gebäudebestandes an Stelle von Neubauten kann der österreichische Materialverbrauch erheblich reduziert werden.

Abfallvermeidung. Der Neubau verursacht 58 % des nationalen Abfallaufkommens (40,8 Mio. Tonnen pro Jahr) - überwiegend durch Bodenaushub und Gebäudeabbruch. Die Abfallvermeidung ist das oberste Ziel des Bundesabfallwirtschaftsplanes 2023. In der Wiederverwertung des Bestandes – durch Umbau und Sanierung – liegt ein großes Potential zur Abfallvermeidung, da sowohl Bodenaushub als auch Bauabbruch vermieden werden können.

Reduktion des Energieverbrauchs. Für die Errichtung eines Gebäudes wird jene Energiemenge, die für Herstellung, Transport, Lagerung, Verkauf und Entsorgung aufgewendet werden muss als „graue Energie bezeichnet. Durch Umbau statt Neubau kann die graue Energie des Bestandes genutzt und ein wesentlicher Beitrag zur angestrebten Klimaneutralität bis 2040 gemäß österreichischem Klimaplan 2040 geleistet werden.

Was bringt die Reduktion der Flächeninanspruchnahme?

Die Reduktion der Flächeninanspruchnahme ist ein langfristiger Beitrag

  • zum Klimaschutz, da wichtige Kohlenstoffspeicher erhalten werden,
  • zur Ernährungssicherheit, da landwirtschaftliche Produktionsflächen erhalten werden,
  • zum Hochwasserschutz, da die Wasserspeicherfähigkeit von Böden erhalten wird und
  • zur Biodiversität, da Böden als Habitate für Pflanzen und Mikroorganismen erhalten werden.

Wie kann der Brachflächen-Dialog zur Reduktion der Flächeninanspruchnahme beitragen?

Ein wichtiger Beitrag zur Reduktion der Flächeninanspruchnahme ist die Wiedernutzung von bereits bebauten Flächen und die Stärkung der Ortskerne (Stichwort „Innenentwicklung“). Dieser Lösungsweg ist jedoch vielfach mit Barrieren verbunden, die der Brachflächen-Dialog abbauen möchte. Zu diesen Barrieren zählen beispielsweise:

Kontaminationsrisiko.

Das Grundstück ist durch die Vornutzung eventuell kontaminiert. Die Entwicklung kann mit Mehrkosten bei der Entsorgung von Aushubmaterial  verbunden sein.

Nachbarschaft.

Das Grundstück befindet sich in einem bebauten Wohngebiet. Die geplante Nutzung ist mit Lärm verbunden und Anrainerbeschwerden sind zu erwarten.

Konkurrenz zu unbebautem Bauland.

Das Grundstück befindet sich in einer Region, in der das Angebot an unbebautem Bauland groß ist.

Höherer Planungsaufwand.

Die bereits vorhandene Bebauung muss entweder abgerissen oder umgeplant werden. Der zusätzliche Planungsaufwand ist mit Mehrkosten verbunden.

Warum gibt es brachliegende Industrie- und Gewerbegrundstücke?

Im 18. und 19. Jahrhundert schreitet die Industrialisierung voran. Produktion und Wohnen sind miteinander verschränkt. Es gibt viele Produktionsstandorte in städtischen Lagen.

Ansicht von Barmen - heute Teil von Wuppertal um 1870
Ansicht von Barmen - heute Teil von Wuppertal um 1870

Seit den 1970er verändert sich in Europa die industrielle Produktion. Es erfolgt eine Entwicklung in Richtung Dienstleistungsgesellschaft. Ganze Industriezweige verschwinden und werden außerhalb Europas verlagert. Andere Industriezweige fusionieren, modernisieren ihre Produktion und benötigen weniger Standorte. 

Auch Österreich bleibt von dieser Entwicklung nicht verschont. In vielen Städten und Gemeinden entstehen Industrie- und Gewerbebrachflächen.

Das Phänomen der Betriebsstilllegungen schlägt sich in nahezu allen Branchen nieder. Heute sind viele dieser ehemaligen Webereien, Tankstellen, Brauereien, Konservenfabriken, glaserzeugende Betriebe, Spenglereien und Gerbereien nach wie vor ungenutzt. Am stärksten ausgeprägt ist der strukturelle Wandel in der Textilindustrie, wo es Anfang der 1960er Jahre österreichweit noch rund 600 Betriebe gab. Heute existieren nur noch 160 Textilunternehmen.

Neben der Stilllegung alter Standorte kommen neue Standorte hinzu. Supermärkte und Fachmärkte modernisieren und lassen alte Standorte zurück. Auch Insolvenzen und Pleiten führen zu Betriebsstilllegungen.

Viele Brachflächen würden sich für neue Nutzungen anbieten, jedoch ist die Wiedernutzung mit Barrieren verbunden. Der Brachflächen-Dialog setzt sich zum Ziel diese Barrieren langfristig zu beseitigen.